Bodo Schlenker, Divisional Director Software Solutions bei der BEUMER Group:
Seit April 2021 ist Bodo Schlenker Divisional Director Software Solutions bei der BEUMER Group. Der Informatiker wird den Bereich Software Solutions auf die wachsenden Marktanforderungen hinsichtlich digitaler Angebote strategisch ausrichten, um Mehrwert durch smarte Softwarelösungen mit höchstem Qualitätsanspruch, Innovationsantrieb und Sinn für Nachhaltigkeit zu schaffen. Im Interview beschreibt er, was die Branche umtreibt und wohin die Reise geht.
Herr Schlenker, welche Rolle spielt das Thema Software Solutions bei der BEUMER Group?
Bodo Schlenker: Mit dem Bereich Software Solutions richten wir unser digitales Angebot strategisch auf die stets wachsenden Marktanforderungen aus, um unseren Kunden durch smarte Softwarelösungen klare Mehrwerte bieten zu können. Unser Ziel ist es, bestmögliche Ergebnisse bei der Optimierung der Kundenprozesse etwa im E-Commerce, im KEP-Bereich, in der Fördertechnik oder auch bei der Gepäcksortierung in Flughäfen zu erreichen. Dabei spielt Data Analytics eine immer größere Rolle, um weitere Informationen in Echtzeit zu generieren: „Wie ist der Prozess?“, „In welchem Zustand befindet sich die Anlage?“ oder „Wie ist die Auslastung des Systems?“. Der Bedarf an Softwarelösungen in der Intralogistik ist immens und wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen.
Welchen Stellenwert hat das Thema Software bei den Kunden?
Bodo Schlenker: Bei der Unterstützung unserer Kunden ist Software ein ganz klarer Differenzierungsfaktor. Sie wollen nicht einfach nur eine Maschine kaufen, sie wollen eine Lösung für ihr Problem. Und genau diese Lösung wollen wir bereitstellen. Was heißt das für uns? Wir besitzen die Fähigkeit, durch smarte Softwarelösungen, Konnektivität und Data Analytics die physische mit der digitalen Welt zu verbinden und zu vernetzen sowie eine durchgängige Material- und Datenverfolgung sicherzustellen. Je näher wir am Kundenprozess dran sind, desto besser können wir die Anwender unterstützen.
Wie können Sie Kunden mit Data Analytics unterstützen und wo sehen Sie Herausforderungen?
Bodo Schlenker: Data Analytics ist ein Angebot, Kunden Informationen zu ihren Betriebsprozessen vor Ort über Leitstände sichtbar zu machen, Prävention oder gar Vorhersagen zu betreiben. Damit kommt das Thema Mensch-Maschine-Schnittstelle tatsächlich erst zum Tragen. Die Anlagen, die wir an unsere Kunden liefern, sind in den Produktionen prozessrelevant und bedürfen einer hohen Verfügbarkeit. Damit besteht die Notwendigkeit, dass diese mit ihrem Umfeld ’sprechen‘ können. Das ist natürlich bei der Vielfalt an unterschiedlichen Maschinen eine große Herausforderung und setzt voraus, dass sie mit ‚Intelligenz‘ ausgestattet sind. Nur so lassen sich Daten generieren, ablegen und zielgerichtet auswerten. Für uns gilt es deshalb, verstärkt im Netzwerk zu arbeiten, denn unsere Maschinen produzieren und funktionieren ja nicht immer allein, sprich als Insellösung bei unseren Kunden, sondern auch in der Integration oder Kombination mit weiteren Anlagen anderer Anbieter. Wichtig ist stets zu verstehen, wie der End-to-end-Prozess beim Kunden funktioniert. Mit smarter Software und Data Analytics können wir den gesamten Kundenprozess über unterschiedliche Systemstrukturen und Hersteller abbilden und verbinden. Es geht immer um das große Ganze. Neue Maschinen mit der erforderlichen Intelligenz auszustatten, ist recht einfach. Anlagen, die bereits bei Kunden im Einsatz sind, müssen schrittweise auf Upgrades vorbereitet werden.
Woher wissen Sie, was der Markt fordert?
Bodo Schlenker: Die Kunden sind für uns eine sehr wichtige Quelle. Allerdings teilen sie uns meistens nur die Themen mit, die sie selbst für relevant halten. Themen, die sie nicht „auf dem Schirm“ haben, weil diese sie aktuell nicht beschäftigen – sogenannte nichtartikulierte Bedürfnisse – besprechen sie dann auch nicht mit uns. Dabei handelt es sich meist um langfristigere Trends, die sich sowohl am Markt als auch in der Technologie abspielen können. Um diese zu erkennen, bin ich zum Beispiel mit Instituten und Dienstleistern für Trendanalysen und Innovation in Kontakt, die sich stark mit Trendentwicklungen und Zukunftsideen beschäftigen. Mit ihrer Hilfe können wir fünf bis zehn Jahre in die Zukunft blicken. Der Blick in die Glaskugel ist wirklich spannend. Dieses langfristige Trendscreening interpretieren und transformieren wir in eine mittelfristige taktische Roadmap. Das heißt, wir wollen zuerst von einem zeitlichen Horizont von zehn Jahren ausgehen, dann von fünf bis drei Jahren und schließlich von einem Jahr. Dieser Prozess erfolgt stets iterativ. Auf jährlicher Basis überprüfen und reflektieren wir die Trendentwicklung regelmäßig. So können wir neue Lösungen entwickeln, die der Markt fordert.
Wie ist Ihr Ausblick für die kommenden fünf bis zehn Jahre?
Bodo Schlenker: Das ist sehr spannend. Schauen Sie sich das Thema Logistik weltweit mal an. Da stellt sich doch die Frage nach dem Limit. Also ‚heute bestellt, morgen geliefert‘ ist jetzt bereits Standard. Ich persönlich glaube nicht, dass noch schnellere Geschwindigkeiten dieser Art gefordert werden – eher Leistungssteigerungen und Resilienz der Lieferketten in der Breite in den kommenden Jahren. Ich rechne auch mit einer stärkeren Konsolidierung der Materialflüsse in der ‚last mile‘. Aktuell ist es ja so: Morgens um 10 Uhr klingelt bei Ihnen DHL, um 13 Uhr kommt Hermes und ein paar Stunden später Amazon, obwohl Sie beispielsweise alle drei Bestellungen bei Amazon aufgegeben haben. Hier liegt sehr viel Potenzial, wenn dies zusammengeführt werden würde. Dazu kommt eine weitere Beobachtung: die Retourenabwicklung, die in manchen Distributionszentren etwa im Fashion-Bereich bis zu 60 Prozent der Materialflüsse ausmachen kann. Stellen Sie sich weiterhin vor, es würde nicht nur der gelbe Sack für das Recycling vor Ihrer Tür abgeholt, sondern auch gleichzeitig das Paket mit der Ware, die zurück zum Händler muss, abgegeben werden. Das konsolidiert den Materialfluss direkt an der Haustür.
Eine andere Entwicklung sehe ich beim Tracken von Gepäckstücken. Sie geben das Gepäck zum Beispiel zu Beginn Ihrer Reise am Flughafen auf und holen es am Zielort einfach ab. Auch wenn Sie umsteigen oder Sie einen Teil Ihrer Reise mit der Bahn zurücklegen, Sie müssen sich um nichts kümmern – unabhängig vom Flughafen, der Airline, mit der Sie fliegen, oder dem Bahnhof.
Dazu kommt auch das Stichwort Urbanisierung: Wir sehen einen klaren Trend, dass ein immer größerer Teil der Menschheit in den großen Zentren der Welt leben wird. Das ist in Deutschland vielleicht ein bisschen anders. Aber schauen Sie sich die Megastädte an. In diesem Kontext wird die Logistik eine große Herausforderung werden. Vermutlich entstehen viele kleine lokale möglicherweise sogar mobile Distributionszentren quasi direkt um die Ecke. Diese bilden einen Teil der Antwort auf die Herausforderungen, die sich rund um die letzte Meile ergeben. Das sind Trends und Entwicklungen, die ich in den kommenden fünf bis zehn Jahren sehe. Bewältigen lässt sich dies nur mit einer guten Datenstruktur, modernen Algorithmen, Smart User Experience und Schnittstellen, flexiblen IT-Architekturen sowie Machine Learning und KI. Die BEUMER Group wird über das gesamte Spektrum Softwarelösungen anbieten können.
Haben Sie die erforderliche Fachkompetenz im Haus?
Bodo Schlenker: Das haben wir und sind in der Lage, sämtliche dieser Themen grundsätzlich zu lösen. Spannend an der IT ist, dass sich kein anderes Feld so schnell entwickelt, dass man glauben können, wir würden jede Kompetenz besitzen und das für immer. Es gilt, sich ständig weiterzuentwickeln und in Netzwerken zu arbeiten. Wir schauen uns sehr genau an, mit welchen Tools wir arbeiten, damit wir immer auf dem neuesten Stand der Technik sind. Dazu ‚partnern‘ wir auch, das heißt, wir arbeiten eng mit Forschungseinrichtungen zusammen, zum Beispiel mit dem Fraunhofer-Institut.
Erkennen die Kunden die Vorteile und sind sie bereit, in Software zu investieren?
Bodo Schlenker: Natürlich ist jede Anschaffung erstmal eine Investition. Die Frage, die sich stellt: Welchen Mehrwert erziele ich mit Software? Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass der Kostenersparnisfaktor zwischen einer rein physischen und einer Lösung mit integrierter Intelligenz exponentiell sein kann. Mit einem smarten Algorithmus lässt sich zum Beispiel die Sortierung von Packstücken optimieren. Ohne Software müssten Sie immer die Hardware ändern und damit das komplette mechanische Konzept, um die Anlage auf die neuen Anforderungen auszurichten. Das kann am Ende deutlich teurer werden. Die Unterschiede, die unsere Kunden mit Software erreichen können, sind erheblich. Sie investieren ganz einfach smarter und nachhaltiger.
Wie ist die Nachfrage bei den Kunden?
Bodo Schlenker: Der Bedarf ist hoch und der Ausblick für die kommenden Jahre umso stärker. Wir beginnen ja gerade erst damit, das Thema Software bei uns mit den Kunden zu diskutieren. Stellen Sie sich eine Tür vor, die wir nur leicht öffnen und ganz viele Leute dahinter ihre Hände in den Türspalt schieben. Wir bekommen sie nicht wieder zu. So stark ist die Nachfrage. Wir müssen allerdings in der Lage sein, die Bedarfe der Kunden zu decken und gleichzeitig nachhaltig lieferfähig zu bleiben. Darauf müssen wir uns jetzt ausrichten. Der Trend ist ganz klar überall zu erkennen. Die Kunden kommen aus allen Branchen. Das Potenzial ist gewaltig und exponentiell.
Wie sieht die Strategie in der BEUMER Group aus, um dies umsetzen zu können?
Bodo Schlenker: Wir müssen diesen Veränderungsprozess gestalten. Deshalb haben wir uns schon sehr früh darauf verständigt, gemeinsam mit der Geschäftsführung eine gesamtheitliche Softwarestrategie zu definieren und umzusetzen. Wir haben uns gefragt was grundsätzlich unsere Aufgabe als Software Solutions Organisation bei der BEUMER Group ist? Welche Ziele wollen wir erreichen, wie beschreiben wir unser visionäres Bild und wie kommen wir dahin?
Darüber hinaus haben wir auch unsere strategischen Ziele definiert und natürlich, wie unsere Go-to-Market-Strategie zum Thema Software und IT aussehen soll. Dafür benötigen wir die richtigen Produkte und eine entsprechende Prozessintegration in der Organisation. Entscheidend ist sicher auch das richtige Team. Wir müssen in der Lage sein, Software global zu liefern, zu implementieren und zu entwickeln. Sind wir bei einem Kunden, und dieser sagt zu uns, dass er ein System benötigt, müssen wir seinen Prozess verstehen und die Software liefern können. Wichtig ist natürlich auch, Spezialisten an Bord zu holen. Softwareentwickler werden zurzeit überall gesucht und deshalb ist es für uns essenziell, als attraktiver Arbeitgeber für Technologie und Software beachtet zu werden. Die Leute sollen Lust bekommen, bei der BEUMER Group einzusteigen. Wichtig ist aber auch die Wahrnehmung unserer Lösungen bei den Anwendern. Wir haben den Fokus auf das Touch-and-Feel gelegt, ähnlich wie Apple es zum Beispiel handhabt. Das heißt, der Nutzer gibt uns direkt Feedback wie er unsere Lösungen erfährt, in der Handhabung und in der Anwendung. Das nennt man User Experience. Darüber lernen wir. Dazu müssen wir mit den Kunden eng in Kontakt stehen. Das und vieles andere sind die Felder, aus denen wir einen Strategieplan mit insgesamt 100 Aktivitäten heruntergebrochen haben.
Was macht die BEUMER Group anders als andere Unternehmen?
Bodo Schlenker: An der Digitalisierung kommt heute niemand mehr vorbei. Bei der BEUMER Group hat mich von Anfang an begeistert, dass dieses Thema in der Unternehmensstrategie fest verankert ist. Es gibt hier ein klares Bekenntnis zu Digitalisierung und Software Solutions in der erweiterten Gestaltung. Das ist nicht selbstverständlich in Unternehmen mit Maschinenbau-Historie. Die digitale Transformation wird für die BEUMER Group nicht nur passieren, sondern den Unterschied ausmachen, wie wir künftig unser Business gestalten werden. Diese Weitsichtigkeit ist eine besondere Eigenschaft der BEUMER Group. Unser Motto lautet „Langfristiger Erfolg statt kurzfristigem Gewinn“. Wenn wir als Organisation die nötige Ruhe und Disziplin aufbringen, sind wir in der Lage, in die Zukunft zu investieren. Das ist der Unterschied, der uns auszeichnet.